„Und, wie findest du es?”
Diese Frage hast du sicherlich schon einmal jemandem gestellt. Du hast einen Zaubertrick oder ein akrobatisches Kunststück vollführt, hast ein Gemälde oder einen Text stolz deinen Eltern oder Freunden vorgeführt und dann voller Herzklopfen auf die Antwort gewartet. Dabei lautet die eigentliche Frage doch: Willst du wirklich hören, was sie zu sagen haben?
Nehmen wir einmal an, sie würden genau das sagen, was du erwartest: „Absolut genial! Ich liebe es und es ist die größte Meisterleistung seit Erfindung des Rads.”
Eine glatte Lüge. Und obwohl deine Eltern oder Freunde vielleicht schwören, nichts als die Wahrheit zu sagen, würdest du doch zweifeln. Denn seien wir mal ehrlich – wie wahrscheinlich ist es, dass das, was du da geschaffen hast, auch nur nahe an die Erfindung des Rads herankommt? Vermutlich ist dein Gemälde oder dein Text oder ebenjener Zaubertrick noch ziemlich weit entfernt von Perfektion, wenn du zum ersten Mal diese Frage stellst. Und du musst schon verdammt gut darin sein, dich selbst zu belügen, wenn du in diesem Fall die Worte deiner Eltern oder Freunde glaubst.
Sehen wir uns also Antwortmöglichkeit Nummer 2 an: „Das ist wirklich gut. Nur an dieser Stelle könnte es noch etwas mehr Feinschliff gebrauchen und das dort … das gefällt mir irgendwie gar nicht.”
In diesem Fall hast du wirklich Glück mit deinen Eltern oder Freunden. Trotzdem fühlt es sich irgendwie blöd an, oder?
Noch schlimmer wäre nur eine Antwort in Richtung „Gefällt mir überhaupt nicht. Was du da fabriziert hast, ist der größte Quark seit Menschengedenken und du kannst nichts tun, um es besserzumachen.”
Tja, egal, welche dieser beiden Antworten oder Facetten dazwischen du am Ende zu hören bekommst – du wirst niedergeschmettert sein. Der eine vielleicht mehr, der andere weniger, doch ganz spurlos wird Kritik nie vorbeiziehen – unabhängig davon, wie dick dein Fell ist. Gerade bei Dingen, in die wir unser gesamtes Herzblut gesteckt haben, trifft das kleinste Fünkchen Kritik bereits einen Nerv.
Was also kannst du tun? Aufhören, andere nach ihrer Meinung zu fragen? Dich nur noch mit den Menschen unterhalten, die dir sagen, was du hören willst?
Ich glaube, du weißt selbst, dass das schwierig wird. Vor allem, wenn du – um einmal das Beispiel mit dem Text zu verfolgen – später vielleicht gern veröffentlichen würdest. Der beste Umgang mit Kritik ist in diesem Fall, sich ihr zu stellen. Und zwar mit diesen 5 Schritten:
1. Distanziere dich von deinem Text
Kritik sollte niemals persönlich genommen werden. Das kann schnell passieren, wenn dein Text dir viel bedeutet oder du vielleicht sogar persönliche Erfahrungen darin verarbeitest. Doch die Kritik – sofern konstruktiv – ist immer nur Kritik am Text, nicht an dir als Person.
2. Sei offen für konstruktive Kritik
Wenn ich unter Punkt eins noch gesagt habe, du solltest Kritik nicht persönlich nehmen, bitte ich dich jetzt, Kritik auch nicht von vornherein ablehnend gegenüberzustehen. Denn entgegen dem, was manche von uns vielleicht glauben, ist kein Text jemals perfekt. Konstruktive Kritik hilft dir, dich als Schriftsteller weiterzuentwickeln, Fehler zu erkennen und nicht zu wiederholen. Dadurch kannst du deinen Text und zukünftige Texte noch besser machen. Toll, oder?
3. Betrachte Kritiken differenziert
Das ist ein Punkt, den auch ich selbst oft vergessen habe. Dabei ist es superwichtig, verschiedene Kritiken zu unterscheiden.
Wer kritisiert – gehört derjenige überhaupt zu der Zielgruppe, die du ansprechen wolltest? Ist derjenige selbst Autor, Vielleser, Gelegenheitsleser oder Experte? Kennt derjenige dich persönlich?
Welche Punkte kritisiert derjenige? Sind es persönliche Geschmäcker oder vielleicht logische Fehler, die einfließen?
All diese Informationen können den Wert und die Bedeutung, die eine Kritik für dich hat, stark beeinflussen. Die Meinung deiner Zielgruppe ist für dich als Autor schließlich wichtiger als die Meinung eines Menschen, der dein Buch vielleicht von seinen Großeltern geschenkt bekommen hat und es eigentlich gar nicht lesen wollte.
4. Schlaf eine Nacht darüber
Von mir aus auch gern zwei oder drei. Es mag simpel klingen, aber du glaubst gar nicht, wie viel ein klein wenig Abstand manchmal bewirken kann, damit du die Dinge in neuem Licht siehst. Deshalb – gib dir Zeit, alles zu verarbeiten.
5. Versuche, die positiven Anmerkungen nicht zu übersehen
Das ist eine Sache, die ich selbst nur zu gern vergesse. Gerade, wenn man Kritik zum ersten Mal liest, bleiben oft nur die Dinge hängen, die der andere nicht mochte oder angekreidet hat. Es kann schnell passieren, dass du dann nur noch über diese Punkte nachdenkst und dich daran aufhängst – vielleicht sogar richtig frustriert bist und das Gefühl bekommst, alles, was du da geschrieben hast, ist dampfender Kuhmist. Aber in jeder (guten) Kritik steckt auch ein Fünckchen Lob. Wenn du willst, kannst du es mit Markern hervorheben oder ausschneiden und an deine Pinnwand stecken – wichtig ist, dass du es genauso ernst nimmst wie all die kritischen Bemerkungen.
Damit kennst du nun schon die wichtigsten Tipps zum Umgang mit Kritik. Ich kann nicht versprechen, dass die Kritik irgendwann aufhört wehzutun, doch mit diesen Punkten an der Hand bist du vorbereitet, wenn du das nächste Mal eine Meinung zu deinem Text erhältst.
Noch eine Sache zum Abschluss:
Kritik kann uns auf verschiedenen Wegen erreichen. Manchmal bittest du wie im obigen Beispiel vielleicht jemanden um ein Feedback zu deinem Text – dann rechnest du bereits damit, dass derjenige vielleicht einige Makel und Verbesserungspotential entdeckt oder hoffst sogar darauf. Manchmal wird deine Arbeit allerdings auch ungefragt kritisiert. Du weißt schon, wovon ich spreche, oder? Genau, Rezensionen.
An dieser Stelle möchte ich eines klarstellen – nicht zuletzt, weil es auch in anderen Diskussionen zurzeit immer wieder aufkommt. Rezensionen sind dafür da, um anderen Menschen bei der Entscheidung zu helfen, ob sie ein Buch lesen sollten oder nicht. Rezensionen sind für zukünftige Leser – nicht für Autoren.
Ja, ich habe eben noch gesagt, dass du offen für Kritik sein sollst und dass konstruktive Kritik dich nur besser macht. Doch Rezensionen sind Kritik, um die du nicht gebeten hast – zu einem Zeitpunkt, an dem dein Text bereits steht und du (eigentlich) nichts mehr daran ändern kannst. An dieser Stelle in deiner Entwicklung Rezensionen zu lesen – gerade als Debütautor – kann dich stark verunsichern und unter Umständen in eine ausgewachsene Blockade stürzen.
Deshalb rate ich dir, einen guten Freund oder Vertrauten um Hilfe zu bitten. Am besten sollte es jemand sein, der Kritik formulieren und von dem du Kritik annehmen kannst. Denjenigen kannst du dann bitten, deine Rezensionen zu lesen und die konstruktive Kritik und das Lob herauszufiltern. Somit umgehst du es, Rezensionen selbst zu lesen und dich von möglichen ungeschickt formulierten oder frustrierten Sätzen verfolgen zu lassen. Gleichzeitig kannst du aber das Wissen um mögliche Schwachstellen nutzen, um deine nächsten Werke nur noch besser zu machen.
In diesem Sinne – frohes Schreiben!
Was bin ich doch für ein NIchts. Wohlbekannte Selbstbeschimpfung nach kritischen Worten oder auch nur Blicken…
Schön, diese Ideen, solch unseligen Denkweisen entgegenzutreten!
Hach, man hat`s aber auch schwer, ächz…
Mit lachenden Grüßen von
Sonja
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Super Artikel! Ich fand Kritik früher auch immer schrecklich und habe mich danach wie ein Nichtsnutz gefühlt. Seitdem ich aber genau die Dinge verinnerlicht habe, die du hier ansprichst, giere ich geradezu nach konstruktiver Kritik und bin total froh, wenn mir jemand sagt, was noch nicht funktioniert.
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Das freut mich total zu hören 🙂
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Mit Kritik umgehen, muss man lernen.
Sehr schöner Artikel
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